Jackie Groenen interviewt von Gerd Weidemann. Lesfeminines lässt Jackie Groenen zurückblicken und erzählen, was zu dem überraschenden Sieg der Niederlande bei der Europameisterschaft 2017 geführt hat. Eine unbändige Lust der Spielerinnen, dem Land zu zeigen, dass sie Fußball spielen können und wie gut sie das können. Wie ist es zu diesem erfolgreichen Auftritt gekommen, der den Spielerinnen auch die Achtung und den Respekt der männlichen Fußballstars der Niederlande einbrachte?

Die Niederlande haben in der Tat überrascht, als sie die zwölfte Auflage der Europameisterschaft gewannen. Wie gestaltete sich der Weg zu diesem Sieg? Jackie Groenen, 22 Jahre alt, Mittelfeldspielerin des 1. FFC Frankfurt, Champions-League Sieger 2015, der seitdem nicht mehr auf europäischer Bühne gespielt hat, gibt uns einen Einblick.

Lesfeminines.fr – Wie sah Eure Vorbereitung auf die Europameisterschaft aus?

Jackie Groenen. Wir haben nach unserem Ausscheiden in der Olympia-Qualifikation im März letzten Jahres uns dann auf das große Turnier im eigenen Land eingestellt und darauf hin gearbeitet. So haben wir gegen die großen Fußballnationen wie Deutschland und die USA Testspiele gemacht. Im Januar 2017 hat dann Sarina Wiegman als Cheftrainerin die Mannschaft übernommen. Wir haben uns noch stäker auf das Turnier im Sommer konzentriert und sind fast jeden Monat zur Vorbereitung zusammen gekommen. Wir hatten einen echten Plan, wie wir das aufbauen wollten bis zum ersten Spiel der Europameisterschaft. Wir haben in der Vorbereitung in 2017 gegen große Turniermannschaften gespielt, wie gegen Frankreich, und dann auch gegen Österreich sowie Island. Wir hatten eine lange Vorbereitung, sind auch gleich nach dem Ende der Saison zusammen gekommen – ich selbst zum Beispiel hatte nach der Bundesliga-Saison nur drei Tage frei. Die Vorbereitung lief so, dass zum Beginn der Europameisterschaft jede Spielerin fit war. Im Laufe der Zeit haben wir uns besonders unter Sarina gesteigert. Gegen Frankreich haben wir im April 1 – 2 verloren. Wichtig dabei war für uns nicht, wie das Spiel ausging, wir wollten auf eine bestimmte Weise spielen und wir wollten auch in der Vorbereitung zeigen, dass wir Fußball spielen können, die Zuschauer in Holland begeistern, so dass sie gerne zu unseren Spielen kommen. Ich glaube, diese Einstellung hat uns ganz weit gebracht in dem Turnier.

Lesfeminines.fr – Ihr habt in eurem ersten Spiel gegen Norwegen (Vize-Europameister vor vier Jahren) ein ganz starkes Spiel gemacht, hattet Ihr mit diesem Auftaktsieg gerechnet?

Jackie Groenen. Ja, schon. Wir haben in der Vorbereitungszeit gespürt, dass wir dran waren. Wir sind eine Mannschaft, die sehr viele unterschiedliche Qualitäten hat und die gemeinsam kämpft. Wir waren in unseren Augen natürlich nicht der Favorit, aber wir wussten schon, dass alles passt und wir jeden schlagen konnten. Wir haben dann mit ganz viel Selbstvertrauen auf dem Platz gestanden. Und man soll nicht unterschätzen, was es bei Spielerinnen bewirkt, wenn so viele Leute aus dem eigenen Land dich unterstützen, und das hat uns wirklich noch mal diesen extra Schwung gegeben.

Lesfeminines.fr  – Wie waren Eure Gefühle vor dem ersten Spiel, bevor es losging?

Jackie Groenen. Ich war ganz nervös, klar. Aber es war für mich auch das erste große Turnier mit der Nationalmannschaft, und es war auch etwas Besonderes, dass dieses Turnier in unserem eigenen Land stattfand. Als wir mit dem Bus am Stadion angekommen waren, also ich kann ehrlich sagen, wir saßen alle mit Tränen in den Augen da. Es waren schon viele Leute da, die haben alle auf uns gewartet, waren in Orange gekleidet, das war so etwas Schönes. Wir sind dann in die Kabine gekommen und haben gedacht: Leute, das ist jetzt echt was Besonderes, habt‘ bitte Spaß. Diese Einstellung haben wir während des ganzen Turniers gehabt und das hat uns für das Turnier viel gegeben.

Lesfeminines.fr  – Sie sind noch nicht so lange in der Nationalmannschaft, wie hat sich das entwickelt und was ist das Besondere an Ihrer Trikotnummer 14?

Jackie Groenen. Seit Januar 2016 bin ich in der Nationalmannschaft und als im Januar 2017 Sarina Wiegman die neue Trainerin wurde, hat sie mir sofort ihr Vertrauen ausgesprochen und mich entsprechend eingesetzt. Zu der Nummer 14: ich hatte in der Vorbereitung noch die Nummer 18. Meine Trainerin wusste, dass ich sehr gerne mit der 14 spielen würde und als sich die Spielerin mit der Nummer 14 vor der EM verletzt hat, ist Sarina zu mir gekommen und hat mich gefragt, ob ich die 14 haben wollte. Natürlich habe ich die 14 sofort genommen. Das bedeutet für mich eine ganz besondere Ehre, denn es ist die Nummer von Johan Cruyff. Ich habe mich immer ein bisschen zu ihm orientiert, habe mir immer Videos von ihm angeschaut, er ist ein Vorbild für mich gewesen, als ich jung war und deswegen ist das etwas ganz Besonderes, diese Trikotnummer tragen zu dürfen.

Lesfeminines.fr  – Ihr habt eine perfekte Gruppenphase absolviert, dann Schweden und England geschlagen, gab es ein besonders schweres Spiel im Turnier?

Jackie Groenen. Ja, auf jeden Fall, es war das Spiel in der Gruppenphase gegen Dänemark. Ein ganz schweres Spiel, in dem wir nicht gebracht haben, was wir konnten. Vielleicht auch gerade wegen unseres ersten Spiels, dem Eröffnungspiel gegen Norwegen, in dem wir alles gegeben hatten. Wenn man ein sehr gutes Spiel macht, dann ist das folgende oft besonders schwierig. Der Druck war auch größer geworden – von Holland aus, von den Fans, von den Medien aus. Wir mussten kämpfen, um die Punkte aus diesem Spiel mitzunehmen. Aber das hat eigentlich auch gezeigt, warum wir das Gefühl hatten, dass wir Europameister werden konnten. Man sagt oft, es wird Meister, wer auch die schwierigen Spiele gewinnt, und das haben wir ja ganz gut geschafft.

Lesfeminines.fr  – Hat es ein Spiel gegeben, nach dem Ihr euch gesagt habt, jetzt schaffen wir das?

Jackie Groenen. Wir haben eigentlich von Anfang an gedacht, dass wir das schaffen können. Das größte Spiel war vielleicht das Spiel gegen Schweden, wo wir alle gedacht haben, ‚Mensch, Schweden ist Zweiter bei Olympia geworden, das wird ein richtig hartes Spiel werden‘. Aber eigentlich hatten wir während des ganzen Spiels das Gefühl, dass wir die Schwedinnen schlagen könnten. Das war schon so ein kleiner Wendepunkt, wo wir dachten, ‚Wenn wir das gewinnen können, dann können wir auch noch mehr erreichen‘.

Lesfeminines.fr  – Was hat Eure starke Präsenz in den Medien für Euch bedeutet?

Jackie Groenen. Es war für uns neu, dass wir diese Unterstützung bekommen haben, aber es war gut, daraus haben wir viel Energie mitgenommen. Es war auch ein Zeichen, dass sie uns ernst nehmen. Und es gab Männerfußballer und Analysten, die sich früher negativ über den Frauenfußball geäußert haben, die sich dann hinter den Frauenfußball gestellt haben. Dies war für uns ein Zeichen, dass wir in Holland etwas ändern konnten an der allgemeinen Meinung über Frauenfußball.

Lesfeminines.fr  – Wie wichtig waren die Zuschauer im Stadion?

Jackie Groenen. Die waren großartig. Wir wissen alle, dass wir das nie wieder in dieser Größe erleben werden, weil das eine Heim-EM war. Für uns alle war es das erste Mal, dass wir so unterstützt wurden, es war nicht völlig unerwartet, aber eine Unterstützung in diesem Umfang, das hat uns schon überrascht. Am Tag nach dem Finale sind wir mit dem Bus nach Utrecht gefahren, dann mit einem Boot durch die Grachten gefahren und wir sind nach dem Boot noch auf der Bühne in einem Park gewesen, das war krass, da waren 22000 Leute am Feiern, das ist etwas, das man nie vergisst. Ich gucke mir heute noch diese Bilder an, es war einfach überwältigend.

Lesfeminines.fr  – Wie ist die Situation des Frauenfußballs in den Niederlanden?

Jackie Groenen. Also in Holland gibt es eine relativ junge Liga, jetzt erst seit ungefähr 10 Jahren spielt, die Liga entwickelt sich, und es kommen mehr und mehr Männervereine dazu, die Frauenabteilungen aufmachen wie Ajax Amsterdam und PSV Eindhoven. In der Vergangenheit hat eigentlich immer Twente Enschede in der Champions League gespielt und vor zwei Jahren auch Bayern München besiegt. In dieser Saison nimmt nun Ajax Amsterdam an der Champions League teil.

Lesfeminines.fr  – Was bedeutet Euer Sieg für den niederländischen Frauenfußball?

Jackie Groenen. Ich denke, das war sehr wichtig für den Frauenfußball, und ich hoffe, es schafft mehr Möglichkeiten für junge Mädels, die Fußball spielen möchten. Und wie ich oft schon in den Niederlanden gesagt habe: „Als ich früher jung war, hatte ich als Vorbild immer einen Fußballer und der Unterschied ist, dass jetzt Mädels auch Frauen, die Fußball spielen, als Vorbild haben können. Und das ist eine ganz große Ehre, auch für uns Spielerinnen“.

Lesfeminines.fr  – Was muss der Verband tun, um den Mädchen- und Frauenfußball zu fördern?

Jackie Groenen. Der Verband tut schon einiges, aber der Unterschied ist noch immer, dass viele junge Spielerinnen früh ins Ausland wechseln. Das hat einfach damit zu tun, dass da mehr Geld zu verdienen ist, ohne neben dem Fußball einen Job machen zu müssen und das hebt den Frauenfußball auf eine professionellere Ebene. In Holland ist es immer noch üblich in der 1. Liga zu spielen und daneben noch Stunden und Stunden zu arbeiten. Also in diesem Sinne kann der Verband einfach mehr Geld investieren und dafür sorgen, dass die Spielerinnen ein Monatsgehalt bekommen, so dass sie davon leben können und dann kann der Frauenfußball auch in den Niederlanden professioneller werden.

Lesfeminines.fr  – Wenn Sie zurückblicken, was war für Euren Erfolg entscheidend?

Jackie Groenen. Ich glaube, der Wille zu gewinnen hat uns nach vorne getrieben, und wir wollten den Leuten etwas Gutes zum Zuschauen bieten. Aber wir Spielerinnen hatten auch ganz viele unterschiedliche Qualitäten, wir hatten Lieke Martens, eine Spielerin, die sehr gut dribbeln kann, wir hatten vorne Vivianne Miedema, die immer ein Tor schießen kann, die sehr gefährlich ist, und wir hatten Shanice van de Sanden vorne, die so schnell ist, dass keine sie halten kann. Wir hatten ein sehr stabiles Mittelfeld, und unsere Abwehr war auch solide, bis zum Finale haben wir nur ein Tor kassiert. Wir hatten wirklich auch die spielerischen Qualitäten um zu gewinnen.

Lesfeminines.fr  – Wird es der Nationalmannschaft auch in der Zukunft gelingen, ganz oben in der Weltelite mitzuspielen?

Jackie Groenen. Ja, ich glaube, die Qualität haben wir. Es wird aber nicht leichter, weil wir jetzt vielleicht nicht mehr der underdog sind. Man sieht auch, wie das bei Deutschland geht, also wenn man den Druck hat, immer zu gewinnen, dadurch wird es nicht einfacher. Ich glaube, unsere Mannschaft wird diese Qualität auch in der Zukunft haben und nicht zulassen, dass sich so ein Druck aufbaut.

Lesfeminines.fr  – Was war das ganz besondere Erlebnis bei der Europameisterschaft?

Jackie Groenen. Neben dem großartigen ersten Spiel und dem Finale war für mich eigentlich das Besonderste, wie die Männerfußballer uns unterstützt haben. Das hört sich vielleicht blöd an, aber das ist ja nicht immer so gewesen und diese Unterstützung hat uns auch ganz viel Energie gegeben. Sie haben sich wirklich unseren Fußball angesehen, aber auch bei wichtigen Sachen Kritik geäußert. Kritik ist aber auch nicht schlimm, entscheidend ist: Mit Respekt haben sie unser Spiel als Fußballspiel sich angesehen und nicht wie ein paar Mädels, die auf dem Platz rumrennen. Und das ist ein ganz großer Unterschied.

Und für uns war einer der wichtigsten Punkte der Europameisterschaft: Wir wollten zeigen, dass wir wirklich Fußball spielen können, dass es Spaß macht, uns zuzuschauen. Diese Entwicklung ist so wichtig für den Frauenfußball in den Niederlanden, wie auch im Ausland. Wir wollten zeigen, dass wir Fußball spielen können, deswegen gab es immer diesen Drang nach vorne, wir wollten nicht taktisch spielen, wir wollten zeigen, was wir können. Das war unsere Einstellung, die uns so weit gebracht hat.

Lesfeminines dankt Ihnen für das Interview.