Annike Krahn, Sie sind im Sommer 2012 zu Paris Saint Germain gegangen, Sie waren damit die erste Deutsche in der französischen Meisterschaft. Was hat sie bewogen, den Schritt nach Frankreich zu machen? 

Ich war acht Jahre in Duisburg, habe mich da immer sehr wohl gefühlt, das war für mich auch sehr heimatnah, ich bin ja gebürtig aus Bochum und habe aber nach acht Jahren eine neue Herausforderung gesucht. Ich hatte schon zuvor ein bisschen mit dem Ausland geliebäugelt, wollte einfach mal ganz andere Erfahrungen sammeln und mich neuen Herausforderungen stellen, persönlich wie auch  sportlich. Paris Saint Germain habe ich als Chance, als große Herausforderung gesehen. Ich habe mich unheimlich darauf gefreut und dann diese Möglichkeit wahrgenommen, ins Ausland zu gehen.

Wie war das, als Sie zu Paris Saint Germain kamen? Was hat der Verein für Ihre Integration ins Team und ihre neue Umgebung getan? 

– Das war am Anfang des Projekts Paris Saint Germain, zu dem Zeitpunkt wurde sehr viel umstrukturiert, da wurde das Ganze in professionelle Wege geleitet, der komplette Betreuer- oder Trainerstab war neu. Eigentlich hat dieses Projekt, Frauenfußball noch professioneller zu gestalten, vor genau drei Jahren dort begonnen. Der Verein hat mir am Anfang geholfen eine Wohnung zu finden und mich einigermaßen zurecht zu finden, wobei manches natürlich auch oft über die Mitspielerinnen gelaufen ist. Ich habe auch „learning by doing“ praktiziert und zugesehen, mich selber ein bisschen durchzukämpfen und zurechtzufinden.

Wie sehen Sie die Unterschiede beim Training zwischen Frankreich und Deutschland? 

– Ich finde es generell immer eher schwierig, solche Vergleiche zu ziehen, in Deutschland ist es auch stark abhängig vom Verein und vom Trainer, wie das Training gestaltet wird. Der entscheidende Unterschied: dass das Training auf französischer Sprache war. Zuvor war ich in der Bundesliga nur für den FCR Duisburg aktiv, hatte aber diverse, unterschiedliche Trainer, die unterschiedliches Training machten, daher kann ich jetzt nicht sagen, das eine ist jetzt spezifisch Französisch oder Deutsch. Natürlich ist das eine andere Kultur, und unser Pariser Trainer hat französische und algerische Wurzeln und von daher auch eine andere Mentalität. Darauf muss man sich erst einmal einstellen. Aber nun die Trainingsinhalte darauf zurückzuführen, dass er Franzose und meine bisherigen Trainer Deutsche waren, halte ich für zu weit gegriffen.

Haben Sie mehr trainiert in Paris Saint Germain als während Ihrer Zeit in Duisburg? 

– Ja, das schon, aber das war großenteils dem geschuldet, dass in Paris eigentlich alle Profis waren, bis auf ein, zwei Spielerinnen, die noch zur Schule gingen. In Paris war unsere Hauptaufgabe Fußballspielen und das war in Duisburg nicht so. Da haben nebenbei alle noch gearbeitet, studiert, eine Ausbildung gemacht oder sind zur Schule gegangen. Von daher haben wir in Paris schon mehr trainiert. Aber ich muss sagen, in Leverkusen trainiere ich genauso viel. Der Unterschied ist nur, dass beim Frühtraining in Leverkusen nicht immer der komplette Kader dabei ist, dennoch werden viele Spielerinnen vormittags freigestellt.

Sie haben auch Interviews auf Französisch gegeben, wann haben Sie die Sprache gelernt? 

– In der Schule hatte ich mal Französisch. Das war das erste Fach, das ich abgewählt habe. Ich habe es auch nicht besonders gerne in der Schule gehabt. Ich habe dann 12 Jahre eigentlich kein Französisch gesprochen, aber hatte trotzdem irgendwie noch Grundlagen. In dem Moment, als ich wusste, ich gehe nach Frankreich, habe ich wieder angefangen zu lernen und hatte die kompletten drei Jahre Unterricht, der vom Verein gefördert wurde. Mein Anspruch an mich selber war: Wenn ich in einem Land wie Frankreich Fußball spiele, dann möchte ich auch die Sprache sprechen, die Sachen verstehen und mich verständigen können, für mich gehört das dazu. Von daher habe ich natürlich die Sprache gelernt. Ich hatte auch den „Vorteil“, dass, als ich kam, es keine Ausländer in der Mannschaft gab – Shirley Cruz war ja schon 6 oder 7 Jahre in Frankreich. Jetzt wird wahrscheinlich mehr Englisch gesprochen. In meinem letzten Jahr in Paris wurde oft mehr Englisch gesprochen als Französisch. Aber für mich war das klar ein Vorteil, dass ich für die Verständigung Französisch können musste. Und wie gesagt, das war auch der Anspruch an mich selber.

Wie haben Sie die französische Liga erlebt? 

– In meinen Augen ist sie nicht so stark wie die deutsche Liga. Die deutsche Liga ist ausgeglichener, in Frankreich gibt es auch drei bis vier starke Vereine, auch richtig gute, allerdings sind die schwächeren Vereine auch deutlich schwächer als die deutschen Vereine. Das Leistungsgefälle ist noch extremer als in Deutschland. Die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland ist der in Frankreich noch voraus.

Paris Saint Germain hatte sich sehr große Ziele gesetzt, aber in der vergangenen Saison das Finale der Champions League nicht gewonnen und auch die Meisterschaft im Kampf gegen Lyon verpasst. War das eine große Enttäuschung oder ist der Verein eben noch auf dem Weg dahin? 

– Also, klar habe ich dazu meine ganz eigene Meinung, die allerdings zu viele Internas umfasst. Ich denke, wir hatten schon das Potenzial dazu vielleicht einen Titel zu gewinnen. Im Champions League-Finale verlieren wir unglücklich 2 : 1 in der 90. Minute. Frankfurt hat letztendlich verdient gewonnen, das muss man auch anerkennen. Und in der Liga haben wir, bis auf die Spiele gegen Lyon, alle Spiele gewonnen. Man hat schon gesehen, dass wir uns in den drei Jahren entwickelt haben, dass wir schrittweise näher an Lyon rangerückt sind, aber uns ein Stück weit noch etwas fehlte und wir auch deswegen keinen Titel in der Meisterschaft geholt haben und im Pokal. Das ist vielleicht noch ausbaufähig, aber ich meine, das Projekt besteht auch erst seit drei Jahren, das darf man nicht vergessen, eine Mannschaft mit internationalem Niveau lässt sich nicht von heute auf morgen formen. Wir haben uns stetig verbessert und uns weiterentwickelt. Und was in der Zukunft da passiert, wird man sehen.

Als Paris Saint Germain Olympique Lyonnais aus der Champions League geschmissen hat, war das ein Glücksfall oder hat Paris Saint Germain nur in diesen Spielen schon zeigen können, wo sie perspektivisch hin wollen? 

– Das ist schwer zu beurteilen. Letztendlich muss man sehen, dass wir uns weiterentwickelt haben und auch ein bisschen Glück hatten. Das hatten wir uns in den zwei Spielen gegen Lyon in der Champions League erarbeitet und waren unglaublich effektiv. Ob das jetzt ein Glücksfall war oder nicht, das kann ich nicht sagen. Das ist ja immer so im Sport, dass da viele Faktoren eine Rolle spielen. Für das Selbstbewusstsein war es sicher gut, dass wir gezeigt haben, dass wir Lyon auch schlagen können.

Sie sind 2015 in die deutsche Bundesliga zurückgekehrt, Sie spielen jetzt bei Bayer 04 Leverkusen. Was waren Ihre Gründe zurückzukommen? 

– Mein Vertrag lief aus und ich habe überlegt, was ich mache und bin zu dem Entschluss gekommen, wieder nach Deutschland zurückzukehren, aus unterschiedlichsten Gründen. Ich war drei Jahre in Frankreich, das war eine tolle Erfahrung für mich, ich habe dort unheimlich viel gelernt, habe mich sicher auch persönlich weiter entwickelt. Das letzte Jahr ist jedoch für mich persönlich aus rein sportlicher Sicht nicht so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt hätte und dann habe ich mir überlegt, ob ich wieder so ein Jahr erleben möchte oder nicht. Obwohl das ja immer hypothetisch ist und man nicht weiß, was in der Zukunft passiert, habe ich mir gesagt, ich möchte gerne wieder zurück in Richtung Heimat. Und hier in Leverkusen finde ich super Bedingungen vor, habe eine sehr junge Mannschaft um mich herum, die aber viel Potenzial hat und da sehe ich noch viel Entwicklung und bin froh, bei dieser Entwicklung mithelfen zu können.

Gibt es für Sie aus diesen drei Jahren in Frankreich ganz besondere Höhepunkte? 

– Ja, das sind ganz viele. Wenn ich die hier jetzt im Detail erzählen müsste, natürlich das Champions League Finale und besonders das Halbfinalhinspiel in Wolfsburg, wo wir sicher sehr guten Fußball gezeigt und mit 2 : 0 auch verdient gewonnen haben. Im Rückspiel haben wir sicher ein bisschen gewackelt, da haben wir gesehen, dass uns auf dem Niveau teilweise die Konstanz fehlt. In der Champions League gegen Lyon zu gewinnen, das ist natürlich gerade in Frankreich so ein Prestigeduell, das war auch eine besondere Erfahrung. Im ersten Jahr, wo wir noch lange um die Champions League Teilnahme zittern mussten und im Derby gegen Juvisy noch gewonnen haben, was nach meiner Verletzung mein erstes Spiel über 90 Minuten war, das war auch ein Highlight. Aber für mich sind nicht nur die sportlichen Sachen Highlights, sondern viele Sachen, die auch außerhalb des Platzes innerhalb der Mannschaft passiert sind, Höhepunkte. Ich habe dort Freundschaften geknüpft, die hoffentlich noch lange bestehen bleiben und habe insgesamt viele positive Erfahrungen gemacht. Natürlich gab es auch negative Sachen, die gehören auch dazu und an denen wächst man. Wie gesagt, ich tue mich immer schwer damit, einzelne Sachen rauszupicken.

In dieser und der vergangenen Saison haben fünf deutsche Spielerinnen bei Paris Saint Germain gespielt, bei Olympique Lyonnais spielt seit dieser Saison auch eine Deutsche. In Deutschland spielen aktuelle zwei französische Spielerinnen. Gibt es bei den französischen Spielerinnen eine gewisse Zurückhaltung, in die deutsche Bundesliga zu gehen? 

– Ich glaube generell, auch außerhalb des Sports, dass die Franzosen eher in ihrem Land bleiben. Sie verbringen ihren Urlaub eher in Frankreich, und ich glaube, es gibt einige Spielerinnen, die Respekt haben vor diesem Schritt, nach Deutschland zu gehen, weil sie schon den Eindruck haben, diese deutsche Liga ist sehr stark, und sprachlich haben sie vielleicht auch ihre Bedenken. Bis vor drei Jahren ist aber auch keine deutsche Spielerin nach Frankreich gegangen, das darf man auch nicht vergessen.

Was würden Sie deutschen Spielerinnen raten, die Anfragen aus Frankreich bekommen und Interesse haben, dorthin zu gehen? 

– Das muss jede für sich entscheiden, was sie will, ob sie diesen Schritt nach Frankreich gehen will, das ist eine sehr persönliche Entscheidung. Aber egal, wohin ins Ausland, empfehle ich Jedem die Sprache zu lernen, denn sich verständigen zu können im Ausland ist ein großes Plus. Und das fängt bei Kleinigkeiten an, wie den Sachen auf dem Platz. Das sind so die ersten Vokabeln, die man lernt, es vereinfacht es für alle Beteiligten, wenn man sich integrieren möchte von vorneherein.

Wie sehen Sie die allgemeine Entwicklung des Frauenfußballs in Frankreich? 

Die französische Nationalmannschaft ist das Zugpferd, sie spielen in meinen Augen schon über Jahre in der Weltspitze mit, und das, was ihnen vielleicht fehlt, ist ein großer Titel, der den Frauenfußball in Frankreich noch einmal mehr nach vorne bringen würde. Sie waren immer relativ nah dran, aber haben es irgendwie noch nicht bis zum großen Titel geschafft. Insgesamt ist eine ganz positive Entwicklung zu sehen.

Gerd Weidemann