Sandrine Bretigny : Gegen Deutschland ein Tor zu erzielen und Frankreich in die nächste Runde zu bringen, das wäre der schönste Moment in einer Karriere

Interview mit Sandrine Bretigny (30 Jahre, 6 französische Meisterschaften, 4mal Pokalsiegerin und 4 Finalteilnahmen, 2 Champions League Titel und eine Finalteilnahme), Rekordtorschützenkönigin in der französischen Meisterschaft (42 Tore in 22 Spielen), ist sicherlich die deutscheste der französischen Spitzenspielerinnen.

12 Jahre in Lyon, wir haben gearbeitet und sind dann Schriit für Schritt weiter gekommen. Wir haben zweimal die Champions League gewonnen, wir haben bewiesen, dass Lyon die beste Mannschaft in Europa war.
Sie hat nach 12 Jahren bei Olympique Lyonnais (2000 – 2012) in der Bundesligasaison 2012/13 für den 1. FFC Frankfurt gespielt, der viermal die Champions League gewonnen hat, und spielt seit zwei  Spielzeiten (2013-2015) für den FCF Juvisy Essonne, wer könnte besser als sie über den Gegner des Spiels am Freitag Auskunft geben? Ein Ausflug in die Welt eines von Frauen ausgeübten Hochleistungsports.

Lesfeminines : Ihre Karriere hat mich sehr beeindruckt. Ich weiß nicht, ob man eine Stürmerin mit ähnlichem Profil finden kann. Wie sehen Sie rückblickend Ihre Karriere?

Ich fange an, mir ein wenig Gedanken darüber zu machen, was ich erreicht habe und im ersten Augenblick war mir nicht unbedingt gewusst, was ich erreicht hatte. Ich denke aber, dass ich eine schöne Karriere hatte. Ich hatte das Glück, mich gut zu entwickeln und bei großen Clubs zu spielen. Ich denke, das ist, wovon jede ein wenig träumt und ich bin stolz, das erreicht zu haben.

Eine fußballerische Laufbahn bei Olympique Lyonnais von 12 Jahren, das ist enorm !

Ich habe 12 Jahre bei Olympique Lyonnais gespielt. Der Club hat sich Schritt für Schritt entwickelt, und dann hat der Vereinspräsident Aulas entschieden, die Frauen mit den Mitteln, die er für vernünftig und notwendig hielt, zu unterstützen; … um dann schließlich, nach drei Jahren, die Champions League zu gewinnen (2011). Und vor allem beständig zu bleiben und in der französischen Meisterschaft Titel zu gewinnen. Das ist sehr wichtig.

Und dann im zweiten Jahr wurde die Champions League erneut gewonnen (2012), das hat wirklich Lyon als beste Mannschaft in Europa bestätigt.

Sie sind nicht zahlreich, die Sie an dem Erfolg mitgewirkt haben und wenn ich eine Parallele ziehe zum französischen Nationalteam, das in der gleichen Weise an seinem Erfolg arbeitet: „Sehen Sie Ähnlichkeiten zwischen Ihren Erfahrungen im Verein und der aktuellen Entwicklung im Nationalteam ?“

Die französische Nationalmannschaft und ein Verein, das ist ein Unterschied. Ich glaube, dass auch die Ergebnisse vorher unter dem Trainer Bruno Bini, wo sich das Team bei jedem Wettbewerb weiter entwickelt hat und das Team immer besser wurde, dazu beigetragen haben; und heute dazu die Arbeit, die die Vereine leisten, die die Nationalmannschaft weiter bringt, denn man hat ja gesehen, dass in den Vereinen der Frauenfußball sich weiter entwickelt. Ich denke, dass die Nationalmannschaft davon profitiert, und auch die Nationalspielerinnen und Trainer und Team haben ihren Teil dazu beigetragen. Die Mischung von all dem hat dafür gesorgt, dass wir uns auf dem dritten Platz direkt hinter den Deutschen und den Amerikanerinnen befinden und ich bezweifle, dass man vor 10 Jahren überhaupt gewagt hätte daran zu denken. Es ist gut, dass wir uns heute auf diesem Niveau befinden und die aktuellen WM-Spiele zeigen wirklich, dass Frankreich Fortschritte gemacht hat und dass man jetzt mit uns rechnet.

Die Gegner denken heute, dass Frankreich nicht potentiell stark ist, sondern dass sie wirklich stark sind.

Heutzutage ist es so, dass alle Mannschaften, die auf Frankreich treffen, lieber gegen einen anderen Gegner spielen würden! Ich denke, dass die Deutschen, auch wenn sie kräftig, mental und athletisch stark sind und wirklich Kämpferinnen sind, ich glaube, die Deutschen fürchten heute Frankreich, was vor fünf, sechs Jahren nicht unbedingt der Fall war. Frankreich wird heute in der Tat als Favorit gesehen, auf jeden Fall in den Augen der anderen Teams ist das so.

Glauben Sie, dass Deutschland Schwächen hat ?

Dieses Spiel, es steht 50-50, wie es ausgeht und es wird mental und von der Intelligenz im Spiel entschieden.
Alle Teams haben Schwächen. Auch wir bei Olympique Lyonnais, und ich glaube, was den Unterschied ausgemacht hat, als wir gegen die Deutschen gewonnen haben (zweimal im Champions League-Finale gegen Potsdam und Frankfurt), war, dass wir daran geglaubt haben, denn wenn man gegen die Deutschen nicht daran glaubt, glauben die bis zur letzten Minute an den Sieg. Man muss an die eigenen Möglichkeiten glauben, Vertrauen in sich selbst haben und an sein Team und seine Qualitäten glauben.

Das Spiel gegen Deutschland, das steht 50-50, wie es ausgeht und es wird mental und von der Intelligenz im Spiel entschieden.

Ist es nicht eine Schwäche für die deutsche Nationalmannschaft, dass sie nicht genügend Gegner haben, die sie fürchten müssen ?

Auf Vereinsebene haben sie eine recht homogene Meisterschaft, und die letzte Meisterschaft wurde am letzten Spieltag unter drei Vereinen ausgespielt und die Champions League Plätze unter vier Vereinen. Ihre Bundesliga hat ein viel höheres Niveau und ist viel homogener, als es im Moment in Frankreich der Fall ist, daher glaube ich, dass sie jederzeit in der Lage sind, in einem Spiel zu siegen und dabei den Gegner auseinander zu nehmen.

Schwäche, ich weiß nicht recht, vielleicht wenn sie am Anfang nicht richtig ins Spiel kommen und Frankreich stark beginnt und direkt ein Tor macht, das könnte sie unsicher werden lassen und dann wird es schwierig für die Deutschen.

Im Finale der letzten Europameisterschaft hatten die Deutschen Glück. Zwei Elfer, davon wird eigentlich immer einer auf jeden Fall verwandelt.

Die zwei Elfer, das war Teil der Geschichte. Die Torhüterin hinten drin wurde Weltfußballerin, den Titel bekommt man nicht einfach so. Mit Lyon haben wir 2010 beim Elfmeterschießen verloren, von den drei Chancen zu treffen, verpassten wir alle drei. Ist das Glück oder ist das ein präziser Ablauf oder der Umgang mit Druck .. ?

Ich denke jedoch, dass die Deutschen keine großen Probleme haben, mit Druck umzugehen. Sie sind mental immer bereit, sie glauben an sich zu 200 %, doch ich glaube, dass sie Frankreich fürchten.

Frankfurt hat dieses Jahr das Finale mental gewonnen, weil die Torschützin in der letzten Minute sich daran erinnert, dass sie 20 Minuten vorher mit einem Schuss über das Tor die Gelegenheit verpasst hat; und als sie schießt, sieht man, dass sie genau daran denkt. Man sieht, dass das Spielerinnen sind, die sich an die jeweilige Situation anpassen können. Wen sehen Sie in diesem Team als eine gefährliche Spielerin für die Französinnen ?

Frankreich hat sich weiter entwickelt und es ist eine Tatsache, dass man sich jetzt Frankreich nicht als gegener wünscht. Frankreich wird als ein Favorit betrachtet
Gefährlich, ich denke Marozsan, für mich die beste Spielerin, mit der ich in Deutschland zusammen gespielt habe, das ist sicher. Das Mittelfeld ist wirklich stark und das werden tolle Duelle mit Amandine Henry. Im Sturm, man konnte sehen, dass Mittag wirklich in Form ist, physisch und mental und vor allem mit dem Selbstvertrauen von fünf Toren im ersten Spiel der WM.

Marozsan im Mittelfeld, das kann für Amandine Henry ein wenig kompliziert werden, aber ich denke, dass Amandine Henry auch bereit sein wird und es ein gutes Spiel wird.

Simone Laudehr, ich habe mit ihr zusammen gespielt (Saison 2012/2013) aber sie war zwei, drei Monate verletzt und als sie zurück kam, hatte sie einige Probleme, wieder ins Spiel zu finden, wie für alle die nach einer Verletzungspause zurück kommen. Ich habe sie in Form erlebt, scharfsinnig, effektiv, schnell und entscheidungsschnell. Das Mittelfeld und der Angriff sind stark und ich glaube, das sind die Stärken der Deutschen. Es kann hinten zu einer Schwächung in der Innenverteidigung kommen.

Das ist unsere Stärke, aber auf der anderen Seite steht Nadine Angerer.

Sie ist eine erfahrene Spielerin, die an ich weiß nicht wievielen Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und Olympischen Spielen teilgenommen hat. Ich glaube, das wird ihre letzte WM sein. Sie beendet ihre Nationalmannschaftskarriere direkt danach und ich denkee, dass sie bis zum Finale kommen will. Wenn sie Arbeit bekommt, ist das sehr gut für Frankreich. Ich hoffe, dass es Frankreich gelingen wird, ihr einige Tore reinzusetzen.

Wenn Sie selbst ein Tor schießen, jubeln Sie begeistert. Ist es so schwer im Frauenfußball ein Tor zu erzielen ?

Mit Druck können die Deutschen umgehen. Sie haben Vertrauen zu sich zu 200%, aber ich denke, dass sie Frankreich fürchten.
Ich weiß nicht, ob das nun schwer ist oder nicht. Ich mache nun mal gerne Tore, egal in welchem Spiel, ich freue mich imme, wenn ich ein Tor erziele. Das war vielleicht ein kleiner Fehler in meiner Karriere, wenn ich kein Tor geschossen hatte, war ich mit mir nicht zufrieden. Ich weiß nicht, ob das nun zu einer richtigen und echten Stürmerin gehört, aber ich freue mich immer über meine Tore, egal in welchem Spiel.

Stellen Sie sich vor, Sie spielen gegen Deutschland, Sie erzielen das Tor, das die Deutschen aus dem Turnier wirft! Das müsste ein unglaubliches Gefühl sein ?

So etwas kann zu den besten Momenten in der Karriere einer Spielerin gehören. [.. Nachdenken] Bei einer Weltmeisterschaft gegen Deutschland ein Tor zu erzielen und sie aus dem Turnier zu werfen, das ist der schönste Moment in der Karriere der Spielerin, die das Tor erzielt. Ich denke, dass das einzigartig wäre und dass es auf immer in der Erinnerung bliebe, egal was passiert.

Welche sind Frankreichs Qualitäten ?

Wir haben ein Team gesehen, das wirklich als Kollektiv gut zusammen spielt. Wir haben gesehen, dass Eugenie wirklich in Form ist. Es ist zu spüren, dass es ein Team ist, das gerne zusammen spielt und eine für die andere spielt. Und die Auswechselspielerinnen wie die Stammspielerinnen und auch die, die nicht eingesetzt werden, jede ist dabei, für dasselbe Ziel – zu versuchen, den Weltmeistertitel nach Frankreich zu holen.

Schon seit längerem ist das Team so zusammen und man beginnt einander gut zu kennen. Und der Vorteil ist, dass sie oft im Verein zusammen spielen und Automatismen sich entwickelt haben.

Marozsan, für mich die beste Spielerin, mit der ich in Deutschland zusammen gespielt habe
Wir haben auch gesehen, wie Marie-Laure [Delie] ins Spiel gekommen ist und sofort in der WM angekommen war. Sie hat nicht an sich gezweifelt und ihr erstes Tor hat ihr Selbstvertrauen gegeben, stärkt ihre Moral und bringt sie auf ihrem Weg weiter. Wir haben gesehen, dass sie sehr gut mit Eugenie [Le Sommer] harmonierte so wie Eugénie gut mit Gaetane [Thiney] harmonierte.

Es gibt keine endgültigen Wahrheiten und ich glaube, dass die Niederlage gegen Kolumbien auch etwas Gutes hat. Es ist nicht selbstverständlich, Favorit zu sein, doch gerade durch diese Niederlage wird es ihnen vielleicht gelingen, den Titel zu erringen.

Ist es nicht gerade das Glück Frankreichs, dass die französischen Spielerinnen im Land geblieben sind, während die Deutschen irgendwie überall spielen (Frankreich, Deutschland, Schweden, USA), irgendwie in allen Vereinen und auf einem Niveau, wo Frankreich spielt, auf einem hohen Niveau, wird Deutschland überlegen sein müssen. Sie haben das Potential, aber sie müssen dann wirklich überlegen sein und ich denke, das kann den Unterschied ausmachen.

Ich glaube das nicht, denn das deutsche Team hat sich in den letzten zwei Jahren nicht wirklich sehr verändert. Sie kennen sich ja [.. Nachdenken] Aber vielleicht. Die Spielerinnen von PSG haben einen anderen Stil als die Deutschen von Frankfurt und Wolfsburg, aber das kann auch wegen der unterschiedlichen Spielauffassungen sich als Vorteil erweisen.

Was denken Sie über Silvia Neid ?

Ich kenne sie nicht persönlich. Wenn man ihr Bild sieht, ist es jemand mit Charisma. Ich hatte die Gelegenheit, mit meinen Mitspielerinnen von Frankfurt über sie zu reden. Es ist jemand, der sehr geschätzt wird, die klar in ihren Entscheidungen ist. Das ist, was ich von den Spielerinnen gehört habe. Sie ist wohl wirklich gut, denn wenn sie immer noch in ihrem Traineramt ist, macht sie ihre Arbeit wohl gut und es gibt keine großen Probleme. Es ist jemand, der es verstanden hat, Deutschland auf das höchste Niveau zu bringen. Sie war Spielerin, sie weiß, wie das läuft. Sie versteht sich gut mit ihren Spielerinnen, bleibt aber als Trainerin auf Distanz. Sie hat sie auf das höchste Niveau gebracht und da sie mit dieser WM ihre Karriere beendet, glaube ich, ist es ihr Herzenswunsch, den WM-Titel wieder nach Deutschland zu holen.

Die Spielerinnen wollen den Titel auch für die Trainerin und für sich selbst. Man spielt selbstverständlich auch für sich, und wenn der Trainer die Voraussetzungen dafür schafft und den Spielerinnen Vertrauen gibt, dass sie den Titel holen, dann kann das auch helfen.

Ihre Karriere, ich möchte davon nicht in der Vergangehitsform reden, es gibt auch eine Gegenwart und es gibt eine Zukunft. Im Frauenfußball spielt man länger als bei den Männern. Wie sieht Ihre Zukunft aus ?

Silvia Neid wird von den Spielerinnen sehr geschätzt. Sie hat es verstanden, sie auf das höchste Niveau zu bringen.
Ich möchte immer noch Fußball spielen, das ist sicher. Ich werde so lange spielen, wie ich Spaß daran habe und mein Körper das mitmacht. Es ist für mich kein Problem, Auswechselspielerin zu sein, wenn die Dinge zu Beginn der Saison klar sind. In Lyon war es in meien letzten beiden Spielzeiten so, aber ich spürte, dass ich zum Team gehörte und die Spielerinnen etwas von mir erwarteten, wenn ich eingewechselt wurde. Das war für mich kein Problem.

Ich denke nicht daran, mit dem Fußball auf höchstem Niveau aufzuhören, und erst viel später würde ich den Spitzenfußball aufgeben aber weiter Fußball in einer Liga spielen. Ich bin bereit, im Ausland zu spielen, um noch einmal ein Abenteuer zu erleben, weil ich meine Zeit in Deutschland nicht bereue, das war wirklich ein Vergnügen, aber man muss auch an das, was kommt, an die Zukunft denken und es ist wichtig, die Umstellung auf ein Leben nach dem Fußball vorzubereiten.

Als eine Spielerin, die in Deutschland war, wie erklären Sie, dass deutsche Spielerinnen nach Frankreich kommen ?

Weil es ihnen gefällt. Es ist das Spiel in Frankreich, was sie interessiert und eigenartigerweise auch die Sprache. Als ich in Frankfurt war, wurde ich oft gebeten Französisch zu sprechen, damit die Spielerinnen es wiederholen.

Und Ihre Deutschkenntnisse ?

Ich hatte 3 Unterrichtsstunden nach dem Training, dreimal in der Woche. Obligatorisch.

William Commegrain für lesfeminines.fr

Übersetzung: Gerd Weidemann

 

 

Silvia Neid wird von den Spielerinnen sehr geschätzt. Sie hat es verstanden, sie auf das höchste Niveau zu bringen.

— Sandrine Bretigny